Generative AI – wie groß ist die Welle?
17. Juli 2023
Es hat sich herumgesprochen, dass wir mit Generative AI in ein neues Zeitalter des Arbeitens eintreten werden. Es hat sich auch herumgesprochen, dass es dieses Mal nicht die Jobs treffen wird, die wenig Vorbildung erfordern. Sondern vor allen Dingen diejenigen, die mit dem Kopf getan werden. Was vielen von uns noch nicht klar ist: es ist keine Zukunftsmusik.
Laut einer Studie von CAIS kannte im Februar diesen Jahres etwa ein Drittel der Deutschen ChatGPT. Rund 50 Prozent machten sich bereits Sorgen, dass sich AI-Tools wie dieser Chatbot auf den Arbeitsmarkt auswirken werden. Aktuellere Zahlen mit vergleichbarer Qualität scheint es noch nicht zu geben. Ich gehe davon aus, dass die Bekanntheit zugenommen hat, wahrscheinlich auch die Sorge um den Arbeitsplatz. Doch es passiert zu wenig.
Ein Grund dafür, den Ethan Mollick, Associate Professor an der Wharton School der University of Pennsylvania, im Podcast des McKinsey Global Institute nennt: Bislang haben sich Veränderungen länger angekündigt. Er spricht davon, dass er die Trends NFTs und Web3 ausgesessen hat. Sie sind typische Beispiele, auf die der Gartner Hype Cicle zutreffen könnte. Das heißt, der erste Hype ist vorbei, es folgt die Ernüchterung. Ob und wann wir auf den Pfad der Erleuchtung gelangen und ein Plateau der Produktivität erreichen, ist noch offen. Nehmen wir ein sehr prominentes Beispiel aus der Vergangenheit, bei dem wir uns sicher sein können, dass der Gartner Hype Cycle darauf zutrifft: das Internet. Es gab einen enormen Hype in den 1990er Jahren, dem das Platzen der dotcom-Blase Anfang der Nuller Jahre folgte. Danach hat sich das Internet als transformative Technologie etabliert, die heute nahezu alle Aspekte der Wirtschaft und des Lebens durchdringt.
Wieso ist nicht damit zu rechnen, dass auf den ersten Hype von Generative AI eine Ernüchterung folgt? Ich sehe drei Gründe:
- Die Anzahl der Expert:innen. In seinen GatesNotes "The Age of AI has begun" schreibt Bill Gates, dass zu Beginn des Personal Computing die Softwareindustrie sich auf einer Onstage-Konferenz treffen konnte. D.h., es gab nur eine begrenzte Anzahl an Fachleuten. Heute gehört die Softwareindustrie zu den großen Wirtschaftszweigen. Es sind viele Expert:innen da, die Generative AI schnell zum Durchbruch verhelfen werden. Doch nicht nur das - wenn ich mir die Fortschritte beim Umgang mit ChatGPT ansehe, dann zeigt sich, dass es nicht mal nur IT-Fachkräfte sind, die das Thema in die Unternehmen tragen, sondern auch alle, die das Potenzial für ihre eigene Arbeit jetzt schon erkennen.
- Die Produktreife: Da bin ich wieder bei Ethan Mollick. "AI is here now. ... It’s available to billions of people. It literally can write code for you. It can literally do reports for you. It can pass the bar exam." Seit ChatGPT das Sprachmodell GPT 4 nutzt, ist es ruhig um das Thema Halluzinationen geworden. Ja, es passieren immer noch Fehler. Doch es sind weniger geworden. Und es hat sich herumgesprochen, dass wir den Sprachmodellen nicht blind vertrauen können. Das Produkt hat sich innerhalb kürzester Zeit weiterentwickelt und ebenso die Nutzenden.
- Die Effizienzsteigerungen: Schon bei frühen Tests, bei denen ChatGPT als Assistent beim Schreiben von Texten eingesetzt wurde, waren Effizienzsteigerungen von rund 30 Prozent zu beobachten. Die Schätzungen für die Verbesserungen gehen je nach Tätigkeit von bis zu 80 Prozent aus. Wie war das bei der Dampfmaschine? Sie brachte laut Ethan Mollick eine Steigerung von rund 20 Prozent.
Die Effizienzsteigerungen werden schnell kommen und denjenigen Unternehmen einen immensen Vorteil verschaffen, die verstanden haben, wie sie Generative AI einsetzen können. Doch sie werden nur ein Zwischenschritt sein. Sie verschaffen uns die Luft, um neue Business-Modelle zu entwickeln, die nicht mehr darauf beruhen Zeit oder Denkleistung abzurechnen. Denn da haben wir unschlagbare Konkurrenz erhalten.
Wie groß ist die Welle, die da auf uns zurollt? Es ist kein Tsunami, der alles mitreißen und zerstören wird. Eher eine von diesen Wellen, auf denen die Profis so wunderbar entlangsurfen. Wieso können sie das? Weil sie sich die Skills dafür angeeignet und viel geübt haben. Es ist Zeit, das mit Generative AI zu tun.