Der GPT-5-Kater
21. August 2025
Eigentlich liefert GPT-5 das ab, worauf viele gewartet haben: mehr Tempo, höhere Zuverlässigkeit und eine intelligentere Verteilung der Rechenleistung. Doch die Begeisterung hält sich in Grenzen. Nicht etwa, weil das Modell enttäuscht, sondern weil der Start ordentlich schiefgelaufen ist.
Die technischen Pannen beim Launch-Event? Kann passieren. Was aber wirklich im Gedächtnis bleibt, sind die Reaktionen der Nutzer*innen: Viele berichten von schlechteren bis unbrauchbaren Ergebnissen, einer verminderten Sprachfähigkeit, Problemen bei der Nutzung ihrer GPTs … die Liste ist lang. Besonders ärgerlich: OpenAIs „Friss oder stirb“ Vorgehen. Für nicht zahlende Nutzer*innen gibt es nur noch GPT-5. Nur wer eine kostenpflichtige Version hat, kann inzwischen wieder zurück zu GPT-4o.
Produktdenken statt reine Modellstärke
OpenAI kann definitiv Sprachmodelle. Aber ein Produkt, das Millionen Menschen täglich verwenden, braucht mehr als nur technische Brillanz. Abwärtskompatibilität ist eines der Zauberwörter bei der Produktentwicklung, das OpenAI erst noch verstehen muss. Nutzer*innen Wahlmöglichkeiten zu nehmen, kann sinnvoll sein und ist es auch bei der Vielzahl der Sprachmodelle, die in ChatGPT angeboten wurden. Doch sollte das dann anders oder überhaupt kommuniziert werden. So, wie OpenAI vorgegangen ist, hat es die Fortschritte des neuen Sprachmodells schlicht mit falschen Entscheidungen und schlechter Kommunikation zunichte gemacht.
Erwartungen treffen auf die Realität
Die große Story von der nahenden AGI hat die Erwartungen zusätzlich in die Höhe getrieben. GPT-5 ist aber keine Vorstufe zur „künstlichen allgemeinen Intelligenz", sondern schlicht ein starkes Sprachmodell. Dass diese Diskrepanz so auffällt, liegt auch an OpenAIs Kommunikation: over promise – under deliver.
Dazu kommt eine MIT-Studie mit ernüchternden Zahlen: 95% aller KI-Projekte scheitern. Das verstärkt die aktuelle Skepsis – auch wenn die Ursachen andere sind als beim GPT-5-Launch. Denn die hohe Failure-Rate liegt weniger an der Technologie, als an unrealistischen Erwartungen. Viele Unternehmen behandeln KI wie einen Zauberstab, der bestehende Probleme einfach wegwischen soll. Tatsächlich verstärkt KI aber vorhandene Strukturen: Wer schlechte oder keine Prozesse hat, bekommt unbrauchbare KI-Ergebnisse. Die Realität ist noch aus einem anderen Grund unbequem: KI-Projekte brauchen kontinuierliche Investitionen und funktionieren anders als klassische IT-Lösungen. Nur weil etwas Effizienzgewinne verspricht, gibt es das nicht umsonst und sofort.
Trotzdem: KI funktioniert
Die Skepsis ändert aber nichts daran: Wir alle nutzen KI mittlerweile ganz selbstverständlich. Sie macht uns schneller, präziser und kreativer. Dass viele Projekte scheitern, heißt nicht, dass KI wertlos ist – es zeigt vielmehr, dass der Markt erwachsener wird. Nach der anfänglichen Euphorie beginnt jetzt die Phase der realistischen Einschätzung.
Zurück zu GPT-5: es ist kein Flop. Es ist ein solides Modell, das unglücklich angekündigt wurde. Mehr Realismus auf Anbieter- und Nutzerseite sind gefragt.