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Atlas - wenn der Browser verschwindet

24. Oktober 2025

OpenAI hat mit ChatGPT Atlas einen neuen Browser vorgestellt. Oder ist es überhaupt ein Browser? Eigentlich ist Atlas eine Erweiterung von ChatGPT, die Browser überflüssig macht – und vorübergehend Browser genannt wird, damit wir uns von jenen verabschieden.

Sam Altman spricht davon, dass KI die Chance bietet, „neu zu denken, was ein Browser sein kann". Aber das Spannende ist nicht, was Atlas kann. Das Spannende ist, was mit dem Internet passiert, wenn niemand mehr einen Browser im klassischen Sinne braucht.

Wir gehen nicht mehr „ins“ Internet

Die Nutzung ist umgedreht: Wenn du etwas suchst, erscheint zuerst die ChatGPT-Antwort im Chat-Format. Die klassische Liste mit Website-Links gibt es nur noch als Ergänzung – wenn überhaupt. In einer Demo zeigt OpenAI, wie ChatGPT ein Rezept findet und anschließend alle Zutaten automatisch in den Warenkorb legt. Du gibst der KI einen Auftrag, die KI führt ihn aus. Du schaust zu.

Das bedeutet: Wir gehen nicht mehr selbst „ins" Internet. Die KI geht für uns, holt die Daten und präsentiert uns das Ergebnis. Der Browser – 30 Jahre lang unser Portal zur digitalen Welt – wird zur Blackbox im Hintergrund. Atlas ist eigentlich ChatGPT, kein Browser.

Websites als reine Datenlieferanten

Was passiert, wenn sich dieses Prinzip durchsetzt? Dass Bots einen erheblichen Teil des Datenverkehrs im Internet ausmachen, ist nichts Neues – schon heute sind es geschätzt 50%. Aber mit KI-Agenten, die für uns einkaufen und recherchieren, wird diese Zahl Richtung 99% gehen.

Sind Websites dann tot? Nein – aber sie werden zu etwas völlig anderem. Websites werden nicht mehr als Orte gebaut, an denen sich Menschen aufhalten, sondern als Datenlieferanten für KI-Systeme. Das Internet wird zur reinen Infrastruktur. Der Chatbot ist das neue Frontend. Websites sind das Backend. Und dazwischen? So, wie es momentan aussieht, eine neue Schicht, in der KI-Agenten miteinander verhandeln, Daten tauschen und Transaktionen abwickeln – ohne dass wir Menschen das noch sehen.

Was wir verlieren und was wir gewinnen

Der Browser war nicht nur ein Tool, sondern hat geprägt, wie wir das Internet erleben: Tabs zum Hin- und Herspringen, Bookmarks zum Wiederfinden, die Adressleiste als Tor zu jedem beliebigen Ort im Netz. Das alles wird überflüssig, wenn die KI für uns navigiert. 

Was wir gewinnen: Effizienz. Keine Zeit mehr mit dem Durchkämmen von Webseiten verschwenden. Kein Vergleichen von zehn Angeboten auf zehn verschiedenen Seiten. Die KI übernimmt das Sammeln, Vergleichen, Entscheiden – wir überwachen nur noch.

Was wir verlieren: Die Kontrolle darüber, welche Quellen wir sehen. Das Gefühl, selbst durchs Netz zu streifen und zufällig Dinge zu entdecken. Die Transparenz, woher unsere Informationen kommen. Wir vertrauen darauf, dass die KI uns die richtigen Daten bringt – aber wir sehen nicht mehr, was sie aussortiert hat.

Tot ist hier nichts

Das Internet, wie wir es kennen – bunt, chaotisch, voller Links und Ablenkungen – wird zur Hintergrundinfrastruktur. Was wir sehen, ist nur noch der Chatbot, der uns kuratierte Ergebnisse präsentiert.

Aber das ist kein Abgesang auf Websites. Die KI braucht strukturierte Inhalte, saubere Daten, klare Informationen. Websites, die für Suchmaschinen optimiert sind, sind auch für KI-Agenten gut lesbar. Was nicht mehr gebraucht wird, ist das bunte Chichi im Frontend. Die aufwendige Gestaltung für menschliche Besucher*innen wird unwichtiger, wenn eh nur noch KIs vorbeikommen.

Tot ist hier nichts. Aber vieles im Begriff, unsichtbar zu werden.

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