48 Wochen Urlaubsvorbereitung
3. Juli 2020
Wer einen entspannten Urlaub erleben möchte, macht sich prinzipiell so überflüssig wie möglich. Überflüssig im positiven Sinn heißt, dass sich die eigene Abwesenheit quantitativ aber nicht qualitativ bemerkbar macht.
Dieses Jahr ist alles anders und alles gleich. Der Sommer steht vor der Tür, wir dürfen wieder reisen, doch die Erwartung an den Urlaub nach der ersten Corona-Phase ist eine andere. Dieses Mal soll er maximal erholsam sein, wir wollen ihn noch mehr als sonst genießen. Die gute Nachricht ist: es bedarf keiner besonderen Vorbereitung.
Angeregt durch Kay Mantzels wie immer inspirierenden Artikel habe ich mich gefragt, welches die Faktoren sind, die bestimmen, wie gut ich während meiner freien Zeit abschalten kann. Meine Antwort darauf lautet: es kommt nicht auf die ein oder zwei Wochen vor einem Urlaub an, sondern auf das Selbstverständnis der eigenen Rolle.
Jede*r ist ersetzbar – und zwar immer
Der Schlüssel zu einem entspannten Urlaub ist der allseits bekannte Satz „Jede*r ist ersetzbar.“ Aber wer lebt ihn wie? Und was bedeutet er für eine Führungskraft? Das Wichtigste für mich an diesem Satz ist, ihn als ein Ziel vor Augen zu haben, und zwar immer. Ich kann nicht plötzlich vor dem Urlaub eine andere Chefin sein, die von ihrem Team erwartet ihren Job mitzumachen, während ich den Rest des Jahres Entscheidungen allein treffe und die Ergebnisse in Form von Aufgaben auf das Team verteile und es nicht an Entscheidungen teilhaben lasse.
Ich muss mich also ersetzbar machen und nicht für eine begrenzte Zeit und mit entsprechender Vorplanung. Es reicht nicht aus, ein oder zwei Wochen vor einem Urlaub meine Aufgaben so gut es geht zu delegieren, alle Kunden und Partner zu informieren, dass ich nicht da bin und sie doch bitte möglichst die Füße stillhalten sollen, bis ich zurück bin. Um dann nach dem Urlaub das Pensum quasi nachzuholen. Dann wird dieser Satz nicht gelebt – und der Urlaub ist nicht erholsam.
Wie geht es also besser? Das Team machen lassen. Wenn sich immer eine*r im Team findet, die/der sieht, dass etwas zu tun ist und sich dem annimmt, dann ist man dem Ziel maximal nahe. Das klingt so einfach …
Wie kommt man da hin? Es gibt viele Ansätze, um sich diesem Ziel zu nähern. Fehlerkultur ist einer. Ich selbst mache reichlich Fehler, also gestehe ich auch den anderen Fehler zu. Sie sind zum Lernen da und nicht dazu, Verantwortung wegzunehmen, weil jemand etwas nicht optimal gelöst hat. Transparenz ist ein weiterer. Manchmal muss es schnell gehen mit einer Entscheidung. Wenn ich sie schon im stillen Kämmerlein treffe, dann erwarte ich von mir sie transparent zu kommunizieren und auch zu erklären, wieso ich niemanden einbezogen habe. Zurückhaltung gehört dazu. Natürlich habe ich oft eine Meinung zu anstehenden Entscheidungen. Um den HIPPO-Effekt (HIghest Paid Person’s Opinion) zu vermeiden versuche ich so oft wie möglich erst mal zuzuhören und meine Meinung spät oder gar nicht zu äußern. Damit einher geht Geduld. Andere und vor allem mehrere brauchen vielleicht länger, um eine Entscheidung zu treffen, dafür ist sie möglicherweise auch besser als die eigene.
Das alles sind Themen die unter den Begriffen #newwork, #digitalleadership, #empowerment und ähnlichen diskutiert werden – wie ich finde zurecht. Der Urlaub von Führungskräften ist nur ein Beispiel dafür, dass ein Unternehmen besser funktioniert, wenn man diese Ansätze verfolgt.
Das Ganze ist ein Prozess. Ich kann für mich nicht in Anspruch nehmen am Ziel zu sein, doch die Zeit vor und nach dem Urlaub führt mir mal wieder deutlich vor Augen, wie wichtig es ist, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und die 48 Wochen, in denen ich arbeite, auch dazu zu nutzen, dass die Urlaubswochen echte Erholung sind.
In diesem Sinne – ich bin dann mal weg
Cordula Lochmann